Vögel beobachten am Wattenmeer, und das ohne Spektiv, geht das überhaupt? Und dann auch noch photographieren wollen. ?Da wirst Du keine grosse Freude haben?, hat man mir prophezeit.
Und in der Tat sieht man Vogelbeobachter in kleinen Trupps regelmässig mit schwerem Gerät über die Deiche ziehen: Spektiv und Stativ, zusammen gut 3 Kilo oder mehr.
Nun hat ja nicht jeder diese Gerätschaften oder mag soviel mit sich herumschleppen.
Was also kann man sehen auch ohne Spektiv, haben wir uns gefragt.
Anlässlich einer Vogelbeobachtungstour mit Birdingtours hatten wir Gelegenheit, dem nachzugehen. Im Gepäck ein gutes Fernglas sowie ein 500 mm Tele zur Bilddokumentation, beide mit 10 x optischer Vergrösserung.
Für Binnenländer ist allein schon die völlig ungewohnte Landschaft mit der diskret eingebetteten, aber im Detail beeindruckenden Wassertechnik (Deiche, Siele usw) ein Erlebnis. Hinzu kommt die Vegetation und die Ausdehnung der Naturschutzflächen in den diversen Koogen, ehemaligen Überschwemmungsgebieten.
Überhaupt ist das Spiel der Gezeiten absolut ungewohnt, spielt jedoch für die Beobachtungsmöglichkeiten eine grosse Rolle: Bei Ebbe sind die meisten Limikolen ?weit draussen?, während sie bei Flut relativ dicht landnahe zu sehen sind.
So kamen auch in überschaubarer Distanz die ersten Vögel bequem vor Auge und Linse.
Die für spektivtragende Ornithologen typische Verhaltensweise, oben auf dem Deich zu stehen und den Horizont zu abzuscannen, kam für uns natürlich nicht infrage, will man nicht demütig fragen, mal durch so ein Spektiv schauen zu dürfen.
Dafür hatten wir mit dem leichten Fernglas andere Vorteile, nämlich schnell und beweglich zu sein. In der Tat kommt ja kaum Jemand, auch mit dem besten Spektiv, ohne Fernglas aus.
Wer flink ist, kann jeder Bewegung nachgehen, jedem Auffliegen folgen, so dass rasch Flugbilder sowie scheue, kurz mal am Halm hochkletternde Sänger fest-gehalten werden konnten.
So ergab sich bald folgende Arbeitsteilung: während die Einen am Horizont Raritäten suchten, konnten die anderen langsam umherstreifen, sich anpirschen und Nähe suchen zu diversen Objekten.
Wie immer bei der Vogelbeobachtung hilft es, eine Weile still zu sitzen oder zu stehen bequem wartend, dass der eine oder andere Vogel mal vorbei käme.
Allerdings reicht das alles nicht aus, um wirklich viel sehen und ablichten zu können.
Entscheidend sind nämlich geeignete Lokalisationen, um nahe herankommen zu können.
Das muss nicht unbedingt eine Beobachtungshütte oder eine Feuchtwiese bei Flut sein, mitunter gehört auch etwas Glück dazu, um schöne Tierchen dicht vor sich zu finden. So fanden wir einen Turmfalken wenige Meter vor uns ruhig an der Deichbegrenzung auf uns wartend.
Vom Schiff aus kann man wunderbar fliegende Möwen oder Seeschwalben nur mit Fernglas und/oder Kamera beobachten ?
Auch die Halligen weisen relativ wenig scheue flie-gende Mitbewohner auf!
Als sehr lohnend erwies es sich, im Rahmen einer Wattwanderung einige 100 m in diesen besonderen Lebensraum hineinzugehen. Natürlich wegen der ausserordentlichen Flora und Fauna, aber auch, weil einige Wattvögel in relativer Nähe beobachtet werden konnten.
Eine Freude für alle waren die Besuche bei Brutplätzen, teilweise direkt an öffent-lichen Wegen (Schleuse) oder unmittelbar vor einen der zahlreich besuchten Beobachtungshütten.
Aber auch das Wetter hat einen unerwartet starken Einfluss auf die Beobachtungsmöglichkeiten. Bekannt ist, dass bei heftigerem Wind Kleinvögel kaum ausfliegen; aber an fast neblig-trüben Tagen konnten wir erleben, dass etliche Limikolen sich deutlich dichter am Ufer aufhielten als sonst.
Es lohnt sich also, bei nahezu jedem Wetter loszuziehen! Kräftiger Regen blieb uns glücklicherweise erspart ?
Die Ausdehnung und vege-tative Vielfalt der Natur-schutzgebiete gestattete es auch, weitere Vögel gut sehen zu können, die nicht auf Küstenregionen be-schränkt sind wie Kuckuck oder diverse Grasmücken.
Nicht zu unterschätzen ist auch das erforderliche Quentchen Glück:
eher zufällig hielten wir an einem kleinen Weiher, und siehe da! Ein Sterntaucher als absoluter Höhepunkt!
Alles in Allem lohnt es sich sehr wohl, das Wattenmeer und dessen Vogelwelt zu besuchen, auch wenn man kein Spektiv mitführt. Idealerweise geht man als sich ergänzendes Team: der/die Stärkere schleppt das grosse Rohr, der/die Wendigere führt das Fernglas und/oder die Kamera.
Lediglich der Seeadler konnte zwar entdeckt werden, war aber auch für die Spektive ziemlich weit entfernt.
Das nächste Mal brauchen wir allerdings eine Digiskopierausrüstung …
Toller Beitrag vor allem gefallen mir die Bildern.